Am 5. November machten sich um die 4500 Aktivist_innen auf den Weg ins Rheinland um den Hambacher Tagebau zu blockieren.
Von Ende Gelände:
Gemeinsam haben wir die scheinheilige deutsche Klimapolitik demaskiert
Am frühen Nachmittag des 5. November gelangt eine Gruppe aus dem grünen Finger auf einen der turmhohen Schaufelradbagger. Zu diesem Zeitpunkt haben die Aktivist*innen von Ende Gelände den Betrieb des Braunkohletagebaus Hambach bereits zum Erliegen gebracht. Tausende mutige Menschen befinden sich in der Grube. Sie stellen sich mit ihren Körpern der Megamaschine und der Profitgier entgegen. Das Bündnis Ende Gelände hat sein Ziel erneut erreicht.
In diesem Jahr stiegen die CO2-Werte so hoch und so schnell wie nie. Die offizielle Antwort von Regierungen und Konzernen darauf: Gefeilsche um einen viel zu langsamen Kohleausstieg in deutschen Sondierungsgesprächen und die Erarbeitung von „Textvorschlägen“ auf dem Weltklimagipfel in Bonn. Diese sollen das Pariser Klimaabkommen endlich umsetzen, bringen aber nach wir vor keine tatsächlich notwendigen Lösungen.
Das ist uns zu langsam, das ist uns zu wenig!
All das politische Geschachere und die Verzögerungstaktiken stehen in der Tradition der letzten Jahrzehnte. Seit 30 Jahren ist klar, dass wir sofort handeln müssen. Stattdessen hat die Zerstörung Jahr für Jahr zugenommen. Deshalb blockierte Ende Gelände im November erneut mit einer Aktion des massenhaften zivilen Ungehorsams den Abbau von Braunkohle im Rheinischen Braunkohlerevier. Einen Tag vor dem Beginn der UN-Klimakonferenz in Bonn stiegen tausende mutige Menschen in die Kohlegrube Hambach hinab – die tiefste künstliche Senke Nordrhein-Westfalens. So zeigten wir der Weltöffentlichkeit, wie die „Klimapolitik“ des angeblichen Energiewendelandes aussieht.
Singend, tanzend und mutig direkt in die Grube
Trotz strömenden Regens sammelten sich 4500 Menschen zur Demonstration in Buir, etwa sechs Kilometer von der Abbruchkante entfernt. Singend und tanzend begannen wir den Demonstrationszug. Weder als der Protestmarsch von der Polizei gebremst wurde, um „gefährliche“ Strohsäcke zu beschlagnahmen, noch später, beim Durchfließen der Polizeiketten vor dem Tagebau, schenkten wir der Polizei größere Beachtung. Die Aktivist*innen kamen dabei auch am Rest vom Hambacher Wald vorbei, einer der ältesten naturbelassenen Wälder Europas, der nun auch noch vor den Kohlebaggern weichen soll. Ruhig und besonnen war unser aller Ziel an diesem Tag klar: Wir wollten die in der Ferne sichtbaren Bagger blockieren.
Vor allem der fossile Großkonzern RWE selbst versuchte in diesem Jahr alles, um die Besetzung zu verhindern. Noch am Tag vor der Aktion ließ RWE metertiefe Gräben ausheben und Wälle aufschütten. Alle Zufahrtswege in den Tagebau Hambach wurden zerstört, in der Hoffnung, Ruhe vor uns zu haben. Aber wer mit Kohle Profit auf Kosten anderer macht, dem werden wir keine Ruhe lassen. 3000 Menschen gelangten an der Polizei vorbei in die Grube. Inmitten der Mondlandschaft bildeten wir einen riesigen Kreis und hielten uns an den Händen. Die Kohlebagger und das Förderband mussten stoppen. An diesem Tag geboten wir der Zerstörung Einhalt.
Wir sind nicht aufzuhalten. Wir werden die Bagger stoppen. Immer wieder.
In diesem Jahr kamen nicht nur mehr Menschen als je zuvor mit Ende Gelände gleichzeitig in die Grube. Große Gruppen aus Frankreich, den Niederlanden, Italien, England, Tschechien, Schweden, Dänemark und vielen anderen Ländern machten Ende Gelände 2017 auch zur internationalsten Aktion des Kohlewiderstands in den letzten Jahren. Solidarisch miteinander standen sie im Staub des Tagebaus und trotzten Pfefferspray und einem unverhältnismäßigen Pferdeeinsatz. Bei Ende Gelände, bei CODE ROOD, der Besetzung des Kohlehafens Amsterdam, bei No Grande Navi, der Blockade des Kreuzfahrthafens in Venedig, oder beim ersten tschechischen Klimacamp im Sommer dieses Jahres kommt eine internationale Bewegung für Klimagerechtigkeit zueinander, lernt voneinander und stärkt sich gegenseitig.
Zuversichtlich stimmt uns auch, dass die Aktion von Ende Gelände ohne ein gastgebendes Klimacamp so erfolgreich und groß werden konnte. Viele Bonner*innen und Kölner*innen rückten zusammen und gaben Aktivist*innen eine Schlafmöglichkeit in diesem kalten November. Wir sind in den Wohnzimmern der Menschen angekommen und nehmen unsere Gastgeber*innen gerne mit in die Grube. So schrieb es die taz: “Ende Gelände steht weiter an der Spitze der deutschen Klimabewegung – aber die erste Reihe wird breiter.”
We are not drowning, we are fighting!
Alles Gerede über Klimaschutz ist Heuchelei, solange fossile Energien nicht im Boden bleiben – und zwar sofort. Der Stopp der Kohleförderung und der sofortige Ausstieg aus Kohle und allen fossilen Ressourcen sind nicht verhandelbar. Diese Maßnahmen sind notwendig, damit die Menschen, die schon jetzt und in Zukunft durch den Klimawandel betroffen sind, eine Chance auf ein gutes Leben haben.
Wir danken den Pacific Climate Warriors, die in einer Zeremonie in Manheim vor der Aktion ihre Solidarität bekundeten, für ihren ungebrochenen Kampfeswillen und die Bereitschaft, ihre Geschichte mit uns zu teilen. Wir fordern die historische Verantwortung ein, die Länder wie Deutschland für ihren Anteil an der globalen Erwärmung tragen. Es ist eine Farce, dass in Bonn über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verhandelt wird, während 50 Kilometer entfernt exzessiv Kohle verheizt wird. Das lassen wir nicht unkommentiert. Wir demaskieren die scheinheilige deutsche Klimapolitik und nehmen den Kohleausstieg selbst in die Hand.