Freiheit stirbt mit Sicherheit

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Ca. 25 Menschen demonstrierten – mit Sicherheitsabstand zueinander und teils vermummt – auf dem Südermarkt in Flensburg für Versammlungsfreiheit und gegen Überwachung. Mit Schildern wiesen die Demonstrierenden auf die problematische Situation für Obdachlose und die schwierige Situation in Flüchtlingslagern und Gefängnissen hin.

Mit der Demonstration sollte eine Debatte zur Frage „wieviel Einschränkung von Freiheit darf es geben?“ angestoßen werden. Es wird befürchtet, dass die Freiheitsrechte die jetzt eingeschränkt werden, nicht ohne weiteres wiederkommen.

Gerade im Zuge der Ausbreitung des Corona Virus wird befürchtet, dass in der breiten Bevölkerung die Akzeptanz autoritärer Maßnahmen und Gesetze ansteige. In weiten Teilen Deutschlands wurden neue Polizeigesetze erlassen, die der Polizei weitgehende Befugnisse erteilen, die die Freiheit des einzelnen massiv einschränken. In Schleswig-Holstein soll die Polizei mit dem neuen Gesetz weitreichende neue Kontroll-, Überwachungs- und Datenspeicherungsmöglichkeiten und Waffen erhalten. So darf die Polizei z.B. Menschen, die sie verdächtigt in Zukunft Straftaten zu begehen, vorschreiben wo sie sich aufhalten dürfen. Dies ermöglicht der Polizei ohne Gerichtsprozess rein präventiv Menschen ihrer Freiheit zu berauben.

Schon jetzt gibt es Berichte über Polizeiübergriffe im Zuge der Ausgangsbeschränkungen. So twittert die Journalistin Elsa Köster: „Ein Vietnamese, der in einem Döner-Imbiss hustete, wurde von Polizei+Krankenwagen ins Krankenhaus gezwungen, gegen seinen Willen: zum #COVIDー19 Test. Sie hat den Test nicht durchgeführt; die Kriterien waren nicht erfüllt. Sie beschwerte sich bei der Bundespolizei über den Vorfall. Die befand die Zwangsmaßnahme für rechtmäßig: Der Mann habe sich ja nicht freiwillig ins Krankenhaus bringen lassen. Der Sohn des Mannes zitterte vor Wut über den Rassismus gg seinen Vater.“ Auch das ZeckoMag berichtet auf Twitter von rassistischen Polizeiübergriffen: „@polizeiberlin nutzt „Kontaktverbot“ aus und kontrolliert im #Goerli nur schwarze Personen die einzeln (!) rumsitzen, erst als sich Passant*innen einmischen lassen sie davon ab.“

Sowohl während der Aktion vor Ort als auch auf Facebook kam es zu Anfeindungen gegen die Demonstrierenden. Auch der Kommentar von Julian Heldt in der Regionalzeitung des SHZ lässt tief blicken. So stört sich Herr Heldt – und nicht nur er – daran, dass die Demonstration – trotz in der Anmeldung angekündigten Vorsichtsmaßnahmen – von der Versammlungsbehörde Flensburg genehmigt wurde. Es scheint so, als ob viele Menschen der Meinung sind, dass das Demonstrationsrecht gänzlich abgeschafft sei, obwohl in der Flensburger Verfügung explizit steht, dass Demonstrationen nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung zugelassen werden können. Es ist erschreckend zu beobachten, wie egal vielen Menschen die Beschneidung grundlegender Rechte sind. Je weniger Menschen sich daran stören, desto weniger begehren auch dagegen auf. Das bildet potentiell die Grundlage für eine immer autoritärere Gesellschaft.

Genau diesen Gedanken griff ein auf der Demonstration gezeigtes Plakat auf. Darauf wurde der Theologe und KZ-Überlebende Martin Niemöller zitiert: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“